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Warum Wilhelm Busch witzig ist 

10. Januar 2024

Andere Wissenschaftler mögen zum Lachen in den Keller gehen. Prof. Christian Friedrich Hempelmann geht ins Wilhelm Busch Museum. Dort sucht der Humorforscher derzeit Antworten auf die Frage: „Warum ist Wilhelm Busch witzig?“ Vier Wochen lang hat der gebürtige Hannoveraner, der in Texas lebt und lehrt, auf Einladung des Museums-Fördervereins im Rahmen des Fellowships 2023 geforscht. Morgen Abend stellt er seine Zwischenergebnisse bei einem öffentlichen Vortrag im Wilhelm Busch Museum vor. Wir haben ihn vorab getroffen. 

Herr Prof. Hempelmann, sie kommen aus Hannover… 

Ja, ich habe hier 1998 meinen Magister in Anglistik und Religion gemacht. 

Wie wird man dann zum Humorforscher? 

Ich bin nach dem Studium nach Amerika gegangen. Mein Doktorvater war dort Experte für Humor in der Sprachwissenschaft. Doch er meinte damals zu mir, ich solle erst meinen Doktor in Computerlinguistik machen, da es in dem Bereich Jobs gäbe. Das habe ich damals gemacht. 20 Jahre ist das inzwischen her… 

…und KI ist inzwischen total in… 

Stimmt! Ich beschäftige mich auch damit. 

Aber in Hannover sind Sie in Sachen Wilhelm Busch unterwegs. Wie war es eigentlich, nach Hannover zurückzukommen? Haben Sie etwas vermisst? 

Sagen wir so: Die Heimat liebt sich am besten aus der Ferne. Ich bin tatsächlich mit dem Gedanken zurückgekommen, ob ich vielleicht im Alter zurück nach Hannover ziehe. Aber dann erlebt man hier wieder den Alltag – und der war eher grau und regnerisch. Außerdem habe ich dann noch Corona bekommen. 

Also alles nicht so witzig. Konnte Sie Wilhelm Busch aufheitern? Warum sind seine Werke bis heute witzig? 

Weil sie universelle Themen ansprechen. Bis heute kann man sie nachvollziehen. Zum Beispiel Tiere, die wie Menschen behandelt werden. Das gibt es in der heutigen Zeit noch immer. Daher funktionieren seine Witze auch immer noch. Haustiere waren Busch allerdings immer suspekt. Tiere, die man zwar hielt, die man aber nicht aß – ich glaube, er mochte sie nicht. Katzen wurden bei ihm beispielsweise immer wieder malträtiert. 

Und menschlich? 

Denken Sie an die fromme Helene. Da wird die Sexualmoral thematisiert und auch der Frage nachgegangen: Darf eine Frau eine eigene sexuelle Aktivität zeigen oder nur Objekt sein? 

Aber was macht den speziellen Witz bei Busch besonders? 

Text und Bild sind eine Einheit. Die Bilder illustrieren nicht den Text, sie sind Bestandteil des Witzes. Manchmal kann man auch noch in den Bildern eine Vorankündigung des Witzes entdecken. Bei Busch gibt es meist eine Ebene mehr. Das ist neu. Das kann nur bildlicher Humor leisten. 

War Busch politisch? 

Nein, und das macht ihn auch so sympathisch. Ihm ging es vornehmlich um den Humor und nicht um das Belehrende. Er wollte unterhalten und seine Zeichnungen verkaufen. Er selbst trat nie als moralisierender Erzähler auf. Er löste das geschickter. Er fügte noch eine Erzählerebene ein und übertrug die Rolle des moralisierenden Deppen auf eine andere Figur. Er war Pfeifenraucher, Privatmensch und zeichnete eher das ländliche Leben nach Feierabend. 

Und er zeichnete virtuos. Man denke nur an den Klavierspieler oder die Pfarrer, die ihre Orgel bespielen.  

Ja, besonders ist „Der Virtuos“. Wie er den Pianisten zeichnet – mit seinen vielen Armen und der Bewegung. Das haben erst die Superhelden-Comics in der Form in der Übertreibung aufgenommen.  

Wieso ist das witzig? 

Der Witz liegt in der Dynamik bei gleichzeitiger Übertreibung. Es ist immer der Hauptkontrast zwischen zwei auf den ersten Blick ähnlichen Dingen, der den Witz erzeugt. Die Humorforschung sucht immer nach der Essenz des humortragenden Ereignisses.  

Verändert sich Humor? Oder lachen wir immer noch über dieselben Dinge wie vor 150 Jahren? 

Eigentlich verändert sich Humor nicht. Grundsätzlich gilt: Die Themen müssen dem Publikum zugänglich sein. Da geht es um Sex, das Zusammenleben oder auch Haustiere. Witz ist universell. 

Also lachen Menschen in China über dieselben Witze wie Europäer? 

Im Prinzip ja. Sicherlich gibt es kulturelle Ausprägungen, aber das Prinzip des Witzes ist immer gleich. 

Wenn man sich die ganze Zeit von Berufs wegen mit Witzen beschäftigt… 

…wird man wahnsinnig! (lacht) 

Mal abgesehen davon: Können Sie eigentlich noch über Witze lachen? 

Ja, klar. Obwohl, eigentlich analysiere ich die dann schon immer. Am besten ist Situationskomik.  

Weil man da nicht zum Analysieren kommt? 

Vielleicht. Manche Witze muss man mir wirklich dreimal erzählen. 

Haben sie einen Lieblingswitz? 

Ja! Er kommt aus dem Niederdeutschen, aber das kann ich ja hier erzählen, das verstehen die Leute hier. 

Und, wie lautet er? 

Was ist der Fachausdruck für Wasser im Schwimmbad? – Köpperflüssigkeit! 

Köpper steht im Niederdeutschen für Körper. Ist ein bisschen ekelig. Meine damalige Freundin, die aus Österreich stammte, hat ihn auch nicht verstanden. 

Also ist der Witz doch nicht so universell? 

Naja, bei Busch schon. 

Prof. Hempelmann, vielen Dank für das Gespräch! 

Der Vortrag im Wilhelm Busch Museum beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Nähere Infos unter: Startseite · Museum Wilhelm Busch (karikatur-museum.de)  

Text: Heike Schmidt, Fotos: Tobais Wölki

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