Text: Heike Schmidt, Fotos; Tobias Wölki
Im Landesmuseum sind jetzt die Decken wieder höher und Botticelli, Cranach und Co finden Platz in neu gestalteten Räumen. Ein Rundgang durch einen weiteren Teil der neuen KunstWelten.
Die Decken sind wieder höher. Die Räume haben neue Farben, und die Säle reihen sich in einer Flucht aneinander: Ein weiterer Teil der KunstWelten im Landesmuseum Hannover sind eröffnet. In einem großzügigen Ambiente mit neuer Farbgebung finden Botticelli, Cranach und Co. ihren Platz. Die Alten Meister erscheinen zudem in neuem Licht: Täuschend echt aussehende Oberlichter tauchen die Räume in natürliches Licht. Moderne Technik macht es möglich. „Sie können sich auch bedecktem Himmel draußen hier drinnen fühlen wie im Sommer“, erklärt die Direktorin des Hauses, Prof. Katja Lembke.
Ein Hauch von Louvre und Alten Meistern
Mit dieser Umgestaltung haben die KunstWelten im Landesmuseum einen kleinen Touch vom Louvre in Paris oder auch von der Galerie der Alten Meister in Dresden. Wie in diesen Häusern bewegt sich der Besucher durch die Säle fluchtpunktperspektivisch auf den Star der Ausstellung am Ende zu. Allerdings unterscheidet sich die Hängung in Hannover in einem Punkt entschieden von denen in Paris oder Dresden: Während dort die Wände meist in barocker Hängung übervoll mit Gemälden erscheinen, beschränkt sich Hannover auf eine Auswahl. Das Landesmuseum möchte nicht mit Masse erschlagen, sondern mit Klasse punkten. Das gelingt.
Der Durchgang beginnt im Mittelalter: Die goldene Tafel steht an einem prominenten Platz mitten im Saal. Danach geht es wie durch einen kleinen Durchgang, von dem aus sich dem Besucher erstmals der Blick durch alle Säle eröffnet. „Wir arbeiten jetzt stärker chronologisch“, erklärt Antje-Fee Köllermann, Kuratorin der Alten Meister, „sie werden Überraschungen erleben.“ Eine davon ist gleich in dem kleinen Durchgang zu sehen: zwischen zwei Andachtsaltärchen ist die Requisite eines Voodoo-Priesters zu sehen.
Ein Blick in den Burgunderroten Raum der Geschichte
Weiter geht es in einen burgunderroten Raum. In den Gemälden und rahmen dominieren noch Goldfarben. Das Besondere: im Gegensatz zum Mittelalter, in dem es manchmal nicht einfach war, den Künstler zu benennen, sind hier erstmals Werke zu sehen, die man ihren Erschaffern zuordnen kann. Wie beispielsweise den Kreuzigungsaltar von 1506, den Hans Raphon für damals 200 Mark geschaffen hat. Er hat seinen Namen auf dem Holzrahmen hinterlassen. Dass die 200 Mark zur damaligen Zeit einen Wert von etwa 50.000 Kilogramm Roggen hatten, erfährt der Leser auf dem Erklärungsschild. Auch diese wurden neu konzipiert. Im Mittelpunkt stehen jetzt oftmals nicht unbedingt die Daten über den Künstler, sondern auch Geschichten über die Portraitierten – wie etwa über Francesco Alunno, den Lorenzo di Credi um 1550 auf Pappelholz verewigte. Alunno ist vielleicht kein Prominenter wie Martin Luther, dessen Bildnis im Saal zuvor hängt. Doch ist er wichtig, um die Zeit zu verstehen: Als Sprachforscher und Schönschreiber kann er sinnbildlich für einen Trend seiner Zeit stehen.
Die Welt des Blauen Saals
Nach dem burgunderroten Saal geht der Besucher ins Blaue. Die Wandfarbe nimmt ein Thema der Malerei auf, das zu diesem Zeitpunkt neu ist: das Blau des Himmels und das perspektivische Verblauen des Hintergrundes. Auch die Themen in der Malerei ändern sich. Porträts wie die von Martin Luther und seiner Frau, der Ex-Nonne Katharina von Bora, weisen darauf hin. „Mit diesen Bildern machte Cranach die Hochzeit flächendeckend publik“, erklärt die Kuratorin. Auch das Bildnis von Luther auf seinem Totenbett hatte eine dokumentarische Funktion. Cranach bezeugt mit diesem Bild den Tod Luthers. Ein besonders schönes Gemälde des Künstlers hängt direkt daneben: die lebensgroße Venus mit Amor. Ihr Haar weht wie bei einer Dame von Botticelli, ein Hauch von Nichts gibt mehr von ihrem Körper Preis als das er verdeckt. Hautfarbe und Körperhaltung erinnern an antike Skulpturen. „Das Gemälde entspricht ganz dem neu erwachten Interesse der Renaissance am weiblichen Körper“, erklärt Antje-Fee Köllermann.
Die verdeckten Details von Botticellis Anbetung des Kindes
In Altrosa eröffnet sich danach der vorerst letzte der neu gestalteten Räume. Hier sind die Werke der italienischen Renaissance zu sehen, die unter anderem aus der Sammlung des Kestnermuseums stammen. Auch hier gibt es – neben dem Porträt des Schönschreibers – eine Besonderheit zu entdecken. Man muss schon genau hinsehen. Wer es aber tut, der wird erstaunt sein: Auf dem Gemälde „Anbetung des Kindes mit dem Johannesknaben“ von Sandro Botticelli gibt es zwei Dinge, die zwar zu erahnen, aber erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind: rechts ist schemenhaft ein Mensch zu sehen, links ein Lämmchen. Beides wurde übermalt. Warum? Beide passten nicht in den Rahmen. Ursprünglich war das Gemälde rund. Als das Runde aber ins Eckige überführt wurde, passten die beiden einfach nicht mehr ins Bild und wurden kurzerhand mit Pinsel und Farbe eliminiert.
Der Star am Ende des Fluchtpunkts
Und der Star am Ende des Fluchtpunkts? Es ist der Heilige Hieronymus als Büßer von Jacopo Pontormo. Es ist das einzige Bild des Malers aus Florenz, das in einem deutschen Museum hängt. Pontormo selbst hat mit diesem Bild eine kleine Revolution ausgelöst: er zeigt keinen alten Mann, der Buße tut, sondern einen jungen, athletischen Menschen, der eher kräftig als schlapp wirkt und der sich mit einer dynamischen Drehung schon etwas aus dem Bild herausdreht. Dieses Bild lässt schon ein wenig erahnen, was in den weiteren Räumen folgen wird – der spannungsreiche Barock mit seinen dynamischen und spannungsreichen Bildkompositionen. Schließlich gilt diese Epoche als „in Bewegung geratene, dynamisierte Renaissance“. Wir dürfen gespannt sein.