Abwechslungsreiche Landschaften, schöne Wanderwege, kühle Seen und kulinarische Überraschungen – der Harz bietet von allem etwas. Uta Preusse zeigt, welche urigen WALDGASTSTÄTTEN Sie unbedingt besuchen sollten.
Wie, Du willst wirklich in den Harz?
Meine beste Freundin schaut, als wollte ich mich für die nächste Mondlandung anmelden. Das letzte Mal ist sie als Kind dort gewesen, mit ihren Eltern zum Rodeln. „Der Harz ist doch eher was für Rentner, die mit ihren Wanderstöcken die Gegend unsicher machen“, meint Gerti. Warum nicht in den Harz, frage ich mich, schließlich ist Deutschlands höchstes Mittelgebirge nur einen Katzensprung von Hannover entfernt, und um frische Waldluft zu schnuppern, muss ich ja nicht gleich bis in die Alpen. An einem ruhigen Montagmorgen mache ich mich mit dem Auto auf den Weg, erstmal Richtung Clausthal-Zellerfeld. Zwei Tage will ich wandern, ausspannen und einige der typischen Waldgaststätten besuchen, von denen ich schon einiges gehört und gelesen hatte.
In die Natur eintauchen
Meine erste Station ist das Sperberhaier Dammhaus am Sperberhaier Damm. Das gelbe Holzhaus am Straßenrand ist kaum zu verfehlen. Es hat etwas morbiden Charme, ist das nun typisch für den Harz? Wir werden sehen. Es ist Traumwetter, und so suche ich mir ein schönes Plätzchen im großen Biergarten und bestelle erstmal ein kühles Alster. Von der nahe gelegenen Straße dröhnt Motorenlärm, er stammt von einer Gruppe Biker, die auf dem Parkplatz vor dem Dammhaus Halt machen. Mein Blick fällt auf die umgebende Landschaft: Tannen wohin ich schauen kann, Blumen und Gräser überall. Nach dem Mittagessen, einem köstlichen Wildtopf, lasse ich mich auf die bunte Blumenwiese fallen, durch die der Wind streift wie mit einem Kamm. Die weißen Wolken malen skurrile Bilder in den blauen Himmel.
Nach einer kleinen Ruhepause will ich mehr über das Sperberhaier Dammhaus wissen und angle eine Postkarte aus dem Briefkasten am Haus. Ich erfahre, dass das historische Gebäude zwischen 1732 und 1734 anlässlich des Sperberhaier Dammbaus errichtet wurde, zunächst der Beherbergung der am Bau beteiligten Bergleute diente und danach als Dienstwohnung für Grabenreiniger, die nebenbei eine kleine Gastwirtschaft betrieben. Weiter erfahre ich, dass der 940 Meter lange Sperberhaier Damm 2010 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.Ich mache mich auf den Weg nach St. Andreasberg. Auf der Strecke dorthin ändert sich das Wetter etwa alle fünf Minuten. Während an der ersten Kreuzung noch dunkle Wolken über die Tannen hinwegziehen, strahlt an der nächsten die Sonne am blauen Himmel. Das gibt mir Hoffnung, die Wetterprognosen sehen für heute nicht allzu gut aus.Ich parke mein Auto auf dem Parkplatz Dreibrode und wandere Richtung Rehberger Grabenhaus, immer entlang des Rehberger Grabens, der auf der linken Seite des Weges plätschert. Auf der rechten Seite öffnet sich eine Schlucht und ermöglicht den Blick auf die gegenüberliegenden Berge. Ich atme die frische Bergluft und erfreue mich an der schönen Landschaft. Doch immer wieder fällt mein Blick auf die vielen kahlen Tannen. Der Borkenkäfer hat den Bäumen im Harz in den vergangenen Jahren stark zugesetzt. Ist dies womöglich die Rache der Natur für frühere Umweltsünden? Wer weiß. Neben dem Rehberger Grabenhaus sind Waldarbeiter damit beschäftigt, die beschädigten Bäume abzuholzen. Das Grabenhaus entstand schon im 18. Jahrhundert als Dienstwohnung für das Personal des Rehberger Grabens. Der wurde von Bergleuten Ende des 17. Jahrhunderts erbaut und zur Energieversorgung in den Bergwerken von St. Andreasberg genutzt. Im 20. Jahrhundert entstand die Gaststätte, die bis heute müden Wanderern und Besuchern des Grabens harztypische Speisen und kühle Erfrischungen serviert. Leider komme ich nicht in den Genuss, denn heute ist Ruhetag.Auf dem Weg zurück stehe ich plötzlich an einer Weggabelung, ein Schild zeigt zwei Wege Richtung Rinderstall, einer nach oben, der andere nach unten. Da ich Steigungen nicht sonderlich liebe, entscheide ich mich für die zweite Variante. Der Weg führt schön bergab durch den Wald, hier begegnen mir auch andere Wanderer. Ich teile sie in zwei Kategorien ein: die eher jüngeren sind stylish mit Outdoor-Kleidung, farblich passenden Rucksäcken und teurem Schuhwerk unterwegs, die anderen mit Wanderstöcken aus Holz, an denen Plaketten von diversen Stationen befestigt sind, und eher schlichten Wanderjacken. Egal, wandern ist eben etwas für jede Altersgruppe. Wo ich mich dabei selbst einordnen soll, darüber bin ich mir nicht sicher. Irgendwo in der Mitte vielleicht. Als ich am Rinderstall ankomme, herrscht auf der Terrasse schon viel Betrieb. Es ist Mittagszeit und mein Hunger riesengroß. Ich suche mir einen Platz in der Sonne und genieße die Aussicht in das weite Tal.Der Rinderstall, der früher wirklich mal einer war, ist wohl eine der schönsten Waldgaststätten im Harz, mit viel Holz gebaut und mit Liebe zum Detail eingerichtet. Serviert wird „deftige Wanderkost“, genau das brauche ich jetzt und bestelle eine Linsensuppe all you can eat mit Wurst. Gut gestärkt mache ich mich auf den Rückweg, nun geht’s leider doch bergauf, aber „so sind nun mal die Harzer Berge“, würde meine Freundin Gerti sagen.
Am Ende des schönen Wandertags fahre ich über Braunlage in den Ostharz. Am Wegesrand hat „Kukki‘s“ seinen Räucherofen für Forellen und seine Gulaschkanone aufgebaut. Einige Gäste sitzen an rustikalen Holztischen, essen und trinken Bier. Ich nehme ein paar Dosen Erbsensuppe für zu Hause mit und fahre weiter nach Mandelholz. Das Hotel in dem kleinen Ort wird von Liesgret Wewer betrieben, die in ihrem Restaurant gutbürgerliche Harzer Küche anbietet. Mein Zimmer ist gemütlich eingerichtet, vom Fenster habe ich einen schönen Ausblick auf einen kleinen See.Nach einem Saunagang im Wellness-Haus will ich mich im Restaurant verwöhnen lassen und bestelle die Harzer Forelle aus Wendefurth mit hausgemachter Kräutervinaigrette und Salzkartoffeln. Köstlich! Zum Abschluss, das muss sein, noch einen Schierker Feuerstein. Der Kräuterschnaps ist im Harz allgegenwärtig, schließlich stammt er von hier.
Tag zwei: hoch hinaus zur Rabenklippe
Am nächsten Tag mache ich mich auf nach Bad Harzburg. Von der Talstation fahre ich mit der Bergbahn auf den rund 850 Meter hohen Burgberg, ein beliebtes Wanderziel. Oben angekommen führt der Weg Richtung Rabenklippe weiter aufwärts. Auf der rechten Seite schaue ich Richtung Brocken, der etwas wolkenverhangen, aber trotzdem schön ist, einfach schön. Meine Wanderjacke brauche ich heute nicht, es ist sonnig und warm. An jeder Wegbiegung tut sich ein anderes faszinierendes Panorama auf. Strammen Schrittes stapfe ich meinem Ziel entgegen, den Rabenklippen. Die mächtigen Felsen wirken in der lieblichen Landschaft etwas unheimlich. Ich klettere über die großen Stufen hinauf und genieße den Ausblick über den Harz. Wieder unten angelangt, suche ich mir einen Platz auf der großen Terrasse der Waldgaststätte Rabenklippe. Die Kneipe ist Kult und bei Wanderern sehr beliebt. Auf der Karte stehen viele Wildspezialitäten, die überwiegend hausgemacht sind. Ich bestelle eine Wildsülze mit Preiselbeermeerrettich, dazu Bratkartoffeln. Gut gesättigt schaue ich noch am Luchsgehege vorbei. Nur leider sind die Pinselohren nachtaktiv und lassen sich nicht blicken. Oder doch? Auf einem Felsen weiter hinten räkelt sich einer.
Vom vielen Wandern doch etwas erschöpft, nehme ich doch lieber den Bus zurück nach Bad Harzburg. Auf dem Parkplatz sind die nächsten Wanderer am Start und sortieren ihre Utensilien. Auf der Rückfahrt lasse ich alle Erlebnisse Revue passieren. Dabei fällt mir eine Textzeile aus dem Lied „Hundert Leben“ von Johannes Oerding ein: „Am Anfang wollte keiner weg, doch dann haben wir entdeckt, das Leben hinterm Ortsschild ist“.
Für hundert Leben hat mein Ausflug noch nicht gereicht, deshalb will ich unbedingt bald wiederkommen.