Wer dem Einheitsgrau der Wintermonate zeitweise entfliehen möchte, der sollte sich diese Ausstellung ansehen: „Frischer Wind“ ist ihr Titel – und eben solchen bringt sie nach Hannover.
Zarte, helle Farben, hingetupft wie ein flüchtiger Sonnenstrahl, der durch die Blätter eines Baumes fällt – diese Malweise verbinden die meisten Menschen mit Impressionismus. Namen wie Claude Monet, Pierre Auguste Renoir oder auch Camille Pissaro – alle in Frankreich beheimatet – kennen die meisten. Doch auch im Norden gab es Impressionisten, die den flüchtigen Moment für die Ewigkeit einfingen: Anna Ancher, Isaac Israels, Johan Barthold Jongkind und Peder Severin Krøyer. Ihnen ist diese Ausstellung gewidmet, die den Untertitel „Impressionismus im Norden“ trägt.
Starke Böen …
Wäsche flattert auf der Leine. Der Wind lässt sie aufblähen wie Segel eines Schiffes. Um welche Kleidungsstücke es sich handelt, ist nicht zu erkennen. Zu grob ist der Strich, den Max Liebermann 1890 setzte. Auch die Frau, die im Bild „Wäschetrocknen. Die Bleiche“ zu sehen ist, erkennt man nur schemenhaft. Was man stattdessen sehr genau sieht, ist etwas, was eigentlich unsichtbar ist: der Wind, der mindestens eine starke Böe sein muss.
… und dicke Wolken
Der Wind treibt auch die Wolken vor sich her, die Viggo Johansen im Gemälde „Trockenplatz der Netze auf Skagen“ 1890 verewigt hat. Mächtige Kumuluswolken dominieren das Bild – und es zeigt, was den Impressionismus im Norden ausmacht: Es sind die Landschaften, die einen weiten Blick ermöglichen, die die Künstler faszinieren. Es sind Strandszenen, in denen die Gischt sprüht, wenn Reiter an der Küste entlanggaloppieren wie auf den Bildern von Max Liebermann, oder wenn die Haarschleifen der eleganten Damen am Scheveninger Strand im Wind wehen.
Die schönsten Räume
Meer, Strand, Landschaft, Garten. Dies sind die schönsten Räume der Ausstellung, die in die sieben Themenbereiche Licht, Strand, Land, Winter, Stadt, Garten und Reisen aufgeteilt ist. Es ist eine Gemeinschaftsausstellung zwischen dem niederländischen Museum Singer Laren, dem Museum Kunst der Westküste Alkersum/Föhr und dem Landesmuseum entstanden. Rund 100 Gemälde und Ölstudien sind in Hannover zu sehen – und natürlich sind auch Werke des „Dreigestirns des deutschen Impressionismus“, Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth mit dabei.
Flüchtiges Glück
Es ist das flüchtige Glück des Augenblicks und seine Fragilität, die die Maler festgehalten haben. Karl Hagemeister verewigte im Bereich „Land“ zarte Blütenblätter vom weißen Mohn in einer sattgrünen Wiese. Noch ist es windstill. Aber man ahnt, dass ein Windstoß die Schönheit zerstören könnte. Eine junge Frau hält eine Pusteblume in der Hand. Ihre Augen sind halb geschlossen. Es ist dieser Moment kurz bevor sie die Samen an ihren weißen Schirmchen in den Wind blasen wird.
Wunderschöne Gärten
Nachdem man den Raum mit den städtischen Gemälden durchquert hat, gelangt man kurz vor Ende der Schau wieder in den Garten. Ein Klassiker unter den impressionistischen Themen. Dort fühlt man sich wie an einem warmen Sommertag: entspannt, ruhig, genießend. Diesen Moment hielt der Künstler Evert Pieters fest. Er malte seinen Garten und das Haus in Blaricum (Niederlande), in das er 1897 gezogen war. Seine Frau und ihre Freundin Anna Singer sind ebenfalls zu sehen – freundlich hingetupft in sanften Farben. Entspannt und ruhig genießen sie die Sommerfrische.
„Frischer Wind – Impressionismus im Norden“ ist noch bis zum 4. Mai 2025 im Landemuseum Hannover zu sehen.
TEXT: Heike Schmidt